Keine Aufklärungspflicht des Verkäufers gegenüber Verbraucher bei anstehendem Modellwechsel
Allgemein /von Guido ImfeldUrteil vom 09.01.2020 – 9 S 179/19
Das Bessere ist der Feind des Guten. Die Wirtschaft lebt von Innovation und dauernder Verbesserung des Bestehenden. Regelmäßig ist es jedoch für den Käufer ärgerlich, wenn das Glück über den Erwerb einer hochwertigen Sache dadurch getrübt wird, dass kurz nach dem Kauf das Vorgängermodell durch ein besseres Nachfolgemodell ersetzt wird. Menschlich verständlich ist der Ärger, wenn kurze Zeit nach Abholung des neuen Pkw der Nachbar mit dem Nachfolgemodell vorfährt, es sei denn, der Verkäufer hat das Vorgängermodell mit erheblichem Preisnachlass unter Hinweis auf den anstehenden Modellwechsel verkauft.
Das LG Wuppertal hatte über die Klage einer Verbraucherin zu befinden, die im Januar 2019 einen Thermomix TM5 zu dem nicht geringen Kaufpreis von 1.299,00 Euro erworben hatte. Knapp zwei Monate später kündigte die Beklagte das Nachfolgemodell TM6 mit einem größeren Display und deutlich erweiterten Kochfunktionen an.
Die Klägerin hatte das Modell TM5 auf einer Verkaufsveranstaltung einer Handelsvertreterin erworben, in der auf das Nachfolgemodell nicht hingewiesen worden war. Nach den Feststellungen des Gerichtes hatte die Handelsvertreterin hiervon auch keine Kenntnis.
Die Klägerin stellte sich auf den Standpunkt, dass, wäre sie über den Modellwechsel informiert worden, sie mit dem Kauf noch zugewartet und das Nachfolgemodell bestellt hätte. Die Beklagte sei jedenfalls verpflichtet gewesen, sie über den Modellwechsel aufzuklären. Das Erscheinen eines neueren und zugleich mit mehr Funktionen ausgestatteten ausgereifteren Modells sei für den Käufer von großer Bedeutung, insbesondere bei Geräten, die einen verhältnismäßig hohen Preis und eine längere Lebensdauer haben. In dem Fall lege der Käufer Wert darauf, dass das Gerät nicht schon nach kurzer Zeit veraltet sei bzw. erwarte zumindest einen Preisnachlass.
Die Beklagte verteidigte sich damit, dass das Nachfolgemodell im Januar 2019 noch nicht auf dem Markt war. Daher sei der TM5 zum Zeitpunkt des Kaufes kein Auslaufmodell gewesen. Eine Hinweispflicht bestehe allenfalls dann, wenn eine Modelländerung bereits erfolgt sei.
Das LG Wuppertal wies den Anspruch der Klägerin auch in zweiter Instanz ab. Es bestehe keine Verpflichtung, bereits Mitte Januar 2019, dem Zeitpunkt der schriftlichen Bestellung, auf den erst zwei Monate später angekündigten Modellwechsel hinzuweisen.
Eine Hinweispflicht auf Eigenschaften der Ware, die als weniger vorteilhaft angesehen werden könnten, bestehe in der Person des Verkäufers nicht (s. auch BGH, Urteil vom 06.11.1981 – I ZR 164/79). Der Verkehr erwarte nicht ohne Weiteres die Offenlegung aller – auch der weniger vorteilhaften – Eigenschaften einer Ware oder Leistung. Eine Verpflichtung bestehe nur insoweit, als dies zum Schutz des Verbrauchers auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerlässlich ist. Die Frage, ob eine Aufklärungspflicht bei einem Auslaufmodell besteht, könne dabei nicht generell, sondern allenfalls nach Warengruppen beantwortet werden.
Unter Hinweis auf ein Urteil des BGH vom 06.10.1999 (I ZR 92/79) konzediert das Gericht, dass dies bei Geräten, die einen verhältnismäßig hohen Preis und eine längere Lebensdauer haben, eher anzunehmen sei als bei preiswerteren Waren mit kürzerer Lebensdauer.
Das Gericht schloss sich jedoch in dem konkreten Fall der Rechtsauffassung der Beklagten an: Zum Zeitpunkt der Bestellung handelte es sich nicht um ein Auslauf-, sondern das aktuelle Modell. Das Modell sei zum Zeitpunkt der Bestellung noch im Bestand und lieferbar gewesen. Ob es zu diesem Zeitpunkt noch produziert wurde oder der Verkauf aus dem vorhandenen Bestand erfolgte, war nach Ansicht des Gerichtes unerheblich.
Jedenfalls sei eine uneingeschränkte Hinweispflicht für Modelle, die noch vor dem Modellwechsel während einer Übergangszeit abverkauft werden, nicht anzunehmen. Denn der Verkehr erwarte vernünftigerweise nicht, dass mit dem Tag, an dem der Hersteller seine Produktion ändere oder einstellt, alle noch im Handel befindlichen Geräte der früheren Bauweise als Auslaufmodelle bezeichnet werden. Der Hersteller habe ein berechtigtes Interesse daran, die aus dem aktuellen Sortiment beworbene Waren im üblichen Warenumschlag absetzen zu können, ohne bereits auf den die Absatzchancen schmälernden Umstand hinweisen zu müssen, dass alsbald ein neues Modell im Handel sein würde. Nach Auffassung des Gerichtes war nicht zu entscheiden, ob eine solche Pflicht im Einzelfall aufgrund des relativ hohen Preises und der voraussichtlichen Lebensdauer des beworbenen Produktes dann angenommen werden könne, wenn der Modellwechsel unmittelbar bevorstehe. Denn jedenfalls hätten hier zwischen Abschluss des Kaufvertrages und der Ankündigung nahezu zwei Monate gelegen.
Ob die Frist von zwei Monaten in Stein gemeißelt ist oder bei noch höherwertigen Gütern, wie z.B. Pkw, länger sein kann, kann anhand der Entscheidungsgründe nicht abschließend beurteilt werden.
Dem Käufer ist daher anzuraten, sich vor dem Kauf eines hochwertigen Guts über mögliche Modellwechsel, ggf. unter Zuhilfenahme spezialisierter Publikationen, zu informieren. Ferner sollte er den Verkäufer ausdrücklich darüber befragen, ob er positive Kenntnis von einem anstehenden Modellwechsel hat. Denn bei hochwertigen Gütern dürfte die Offenlegung eines anstehenden Modellwechsels bei positiver Kenntnis des Käufers bestehen, jedenfalls dann, wenn der Kaufinteressent hiernach ausdrücklich fragt.
Genau aus diesem Grunde informieren allerdings Hersteller den Handel häufig erst sehr spät über anstehende Modellwechsel, um genau diese Situation zu vermeiden.
Guido J. Imfeld
Rechtsanwalt (DE)
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht